
IT-Infrastruktur standortübergreifend getestet
Forscher von fünf deutschen Universitätskliniken haben gemeinsam ein elektronisches Handbuch in Form einer App entwickelt, das Mediziner bei der Behandlung von Staphylokokken-Blutstrominfektionen unterstützen soll. Eine großangelegte Studie bestätigte nicht nur die Sicherheit der Anwendung, sie war auch ein erfolgreicher Test der IT-Infrastruktur zur standortübergreifenden Nutzung von medizinischen Daten.
Blutvergiftungen durch Staphylokokken sind ein hohes Risiko für Patienten. Besonders gefährlich ist eine Infektion mit Staphylococcus aureus. Damit umgehend die passende Antibiotikabehandlung eingeleitet werden kann, holen Ärzte bei einem positiven Staphylokokken-Befund nach Möglichkeit infektiologische Expertise ein. Doch diese fehlt in vielen Kliniken.
In diesen Fällen könnte nun das HELP-Manual, ein elektronisches Handbuch als App, Unterstützung bieten. Es wurde von Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Jena entwickelt, gemeinsam mit Partnern aus der Infektiologie und der medizinischen Mikrobiologie aus den Universitätskliniken Aachen, Essen, Halle (Saale), und Leipzig. Das Handbuch begleitet die Mediziner leitliniengerecht durch erste diagnostische und therapeutische Schritte bei Verdacht auf eine Staphylokokken-Infektionen.
Im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie wurde die App getestet. Dies war, laut Prof. Dr. André Scherag vom Universitätsklinikum Jena, Leiter der Studie und 1. Sprecher des SMITH-Konsortiums (Smart Medical Technology for Healthcare), „zugleich ein Testlauf für die vernetzten Datenintegrationszentren, die im Rahmen des SMITH-Konsortiums der Medizininformatik-Initiative an den fünf Standorten etabliert wurden“. Diese Zentren können Daten aus der elektronischen Patientenakte, zum Beispiel zu Laborbefunden und Therapien, in eine standardisierte Form bringen und für Forschungsprojekte nutzbar machen – immer unter Beachtung der Vorgaben für den Datenschutz und die Datensicherheit.
In die Studie flossen insgesamt Daten von 5.056 Patienten auf 134 Intensiv- und Normalstationen an den fünf Unikliniken ein. Zunächst wurde das HELP-Manual auf den Stationen eingeführt. Anschließend erfolgte der Vergleich der Behandlungsergebnisse mit und ohne Manual. „Im Ergebnis war die Sterblichkeit auf Stationen mit HELP-Manual geringfügig niedriger als auf Stationen ohne die App“, so Erstautorin Julia Palm. „Für die Langzeitsterblichkeit und das Wiederauftreten von Infektionen sowie für den Antibiotikaeinsatz ließ sich kein Unterschied nachweisen.“ Jedoch legten die Studienergebnisse laut Palm nahe, dass die App für kleinere Krankenhäuser ohne infektiologische Expertise eine wertvolle Unterstützung bieten könnte. „Der Nutzen solcher digitalen Systeme hängt aber davon ab, wie gut sie in bestehende Krankenhaus-IT-Strukturen integriert werden können“, so Palm.
André Scherag ergänzt: „Bei der Durchführung der Studie, die teilweise in die Pandemiezeit fiel, ist noch einmal deutlich geworden, welche Herausforderung die IT-Wirklichkeit in Kliniken und der Status Quo ihrer Digitalisierung für die wissenschaftliche Datennutzung darstellt. Umso wichtiger ist der erbrachte Nachweis, dass die standortübergreifende Harmonisierung und Auswertung der Daten über die Datenintegrationszenten funktioniert. Die Möglichkeit, klinische Routinedaten aus der Krankenversorgung für die Forschung zu nutzen, wird die Durchführung zukünftiger Studien erleichtern. Und die Ergebnisse dieser Studien sind das Fundament einer besseren Krankenversorgung.“
Hier geht’s zu den Studienergebnissen.